Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Mainz zur Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen von Fußballprofis hat eine breite Diskussion ausgelöst. Eine Lösung des Problems könnte im Abschluss eines Tarifvertrags liegen. „Wir Profis“ sprach darüber mit VDV-Justitiar Dr. Frank Rybak.

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Tarifvertrag kann Problematik entschärfen

Wir Profis: Was hat das Arbeitsgericht Mainz hinsichtlich der Zulassungsdauer von befristeten Arbeitsverträgen von Fußballprofis entschieden?
Dr. Frank Rybak: Nach dem Leitbild des deutschen Arbeitsrechts ist das unbefristete Arbeitsverhältnis im Verhältnis zum befristeten das erwünschtere, weil es dem Arbeitnehmer seine Lebensgrundlage erhält. Die maßgeblichen Regelungen zur Zulässigkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses finden sich im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Danach ist die Befristung eines Arbeitsvertrages grundsätzlich nur zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die Befristung eines Arbeitsvertrages nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Heinz Müller war bereits seit 2009 als Lizenzfußballspieler bei Mainz 05 beschäftigt, ehe es 2014 zur Klage gegen den Verein kam. Zunächst hatte er einen Drei-Jahres-Vertrag abgeschlossen, dann einen weiteren auf zwei Jahre befristeten Vertrag für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2014 mit einer Verlängerungsoption für beide Vertragsparteien um ein Jahr unter der Voraussetzung von mindestens 23 Einsätzen in der Bundesliga in der Saison 2013/2014, die er nicht erreicht hat.

Mit seiner Klage gegen Mainz 05 hat Heinz Müller dann u. a. geltend gemacht, dass diese Befristung rechtsunwirksam sei, so dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Da die Maximaldauer von zwei Jahren, bis zu der eine Befristung ohne Sachgrund zulässig ist, überschritten war, hatte sich das Arbeitsgericht Mainz mit der Frage zu beschäftigen, ob die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Lizenzfußballspie-ler durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht das Vorliegen eines Sachgrundes verneint und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Heinz Müller und Mainz 05 nicht aufgrund einer Befristung zum 30.06.2014 beendet ist.

Wir Profis: Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet?
Dr. Frank Rybak: Die Frage, ob die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Fußballprofi durch einen Sachgrund gerechtfertigt ist, ist rechtlich umstritten. Eine höchstrichterliche Entschei-dung, d.h. eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), gibt es nicht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2006 die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Profifußballer als sachlich gerechtfertigt an-gesehen und als Sachgründe das Abwechslungsbedürfnis des Publikums und das Alter bzw. die zu erwartenden körperlichen Defizite des Spielers anerkannt; in jenem Fall war der Spieler bei Vertragsschluss 30 Jahre alt. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird die Zulässigkeit der Befristung ganz überwiegend bejaht, allerdings mit unter-schiedlichen Begründungen. Das Arbeitsgericht Mainz hat sich in seinem Urteil mit verschiedenen Begründungen auseinandergesetzt, im Ergebnis jedoch keinen der Be-gründungsversuche für tragfähig erachtet.

Im Kern geht es um die Frage, ob die „Eigenart der Arbeitsleistung“ eines Profifußball-spielers die Befristung rechtfertigt.

Zunächst hat das Arbeitsgericht den sog. „Verschleißtatbestand“ als Sachgrund abgelehnt. Die Rechtsprechung hat die Befristung von Arbeitsverträgen von Trainern mit Einschränkungen mit der Begründung anerkannt, dass es zwischen Trainer und Mann-schaft bzw. Sportler aufgrund des hohen Leistungsdrucks zu Verschleißerscheinungen kommen kann; die Fähigkeit eines Trainers zur Motivation der anvertrauten Sportler lasse regelmäßig nach. Bei Spielern ist nach Auffassung des Arbeitsgerichts Mainz ein entsprechender Verschleißtatbestand nicht gegeben; der allgemeine Verschleiß durch längere Ausübung desselben Berufs sei nicht ausreichend. Als Sachgrund für eine Be-fristung sei auch nicht ausreichend, dass der Abschluss befristeter Verträge in der ge-samten Fußballbranche üblich sei. Ein Grund für die Befristung sei auch nicht ein Bedürfnis des Publikums am Personalwechsel im Spitzensport; ein solches stelle sich nur dann ein, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Unerheblich sei auch die Höhe der Ver-gütung des Spielers.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz ist in der arbeits- und sportrechtlichen Literatur insgesamt sehr kritisch aufgenommen worden. Überwiegend wird das Ergebnis abgelehnt. Auch den Kritikern fällt es indessen nicht leicht, eine überzeugende Begründung zu liefern, worin denn nun der Sachgrund für die Befristung von Spielerverträgen be-stehen soll. Meines Erachtens ist am ehesten noch die Begründung tragfähig, dass die Einpassung von Spielern in Mannschaften nicht objektivierbar ist. Auch ein guter Spieler passt nicht in jede Mannschaft.

Wir Profis: Welche Auswirkungen kann dieses Urteil in der Praxis haben?
Dr. Frank Rybak: Ich rechne nicht mit einer Klagewelle von Spielern, tatsächlich gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. Insoweit ist es ähnlich wie beim Thema Mindestlohn. Tatsächlich muss sich der Fußball bis zu einer Klärung dieser nicht einfachen Rechtsfrage durch das BAG – sei es in dem Verfahren von Heinz Müller oder in einem anderen Verfahren – mit allen denkbaren Szenarien auseinandersetzen. Vor allem für die Clubs ist die bestehende Rechtsunsicherheit problematisch, denn klagt ein Spieler auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung nicht beendet ist, gerät der Club ggf. in Annahmeverzug. Gewinnt der Spieler später den Prozess, muss der Club das Gehalt nachzahlen, obwohl der Spieler gar nicht gearbeitet hat. Eine Möglichkeit, die Proble-matik jedenfalls zu entschärfen, ist der Abschluss eines Tarifvertrages.

Wir Profis: Inwieweit kann die Problematik über einen Tarifvertrag gelöst werden?
Dr. Frank Rybak: Nach dem TzBfG kann die Höchstdauer von zwei Jahren, bis zu der Befristungen ohne Sachgrund zulässig sind, verlängert werden (§ 14 Abs. 1 S. 3 TzBfG). Obwohl die den Tarifvertragsparteien danach eröffnete Möglichkeit nach dem Gesetzeswortlaut weder hinsichtlich der Höchstdauer noch hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen eingeschränkt ist, nimmt das BAG an, dass die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos ist. Für zulässig erachtet hat das BAG eine Festlegung der zulässigen Höchstdauer sachgrundloser Befristungen durch einen Tarifvertrag auf 42 Monate bei höchstens vier Vertragsverlängerungen. Aufgrund der Besonderheiten des Fußballs wären meines Erachtens auch vier oder fünf Jahre zu rechtfertigen. Mit einer derartigen tarifvertraglichen Regelung könnten die VDV und ein von den Clubs zu gründender Arbeitgeberverband jedenfalls die ganz überwiegende Zahl der Fälle rechtsicher regeln. Wir haben der DFL unsere entsprechende Bereitschaft bereits mehrfach signalisiert.

Wir Profis: Inwieweit ist die Entscheidung auf die Angestelltenverhältnisse von Jugendspielern mit Förderverträgen sowie von Trainern und Scouts übertragbar?
Dr. Frank Rybak: Auf diese Arbeitnehmergruppen ist die Entscheidung nicht übertragbar. Bei Jugendspielern besteht die Ungewissheit, ob sich ihre Leistungsfähigkeit überhaupt dahin entwickelt, dass sie Vollprofis werden können; insoweit dürfte ein Sachgrund zu bejahen sein. Bei Trainern muss man genau auf die Vertragsgestaltung im Einzelfall schauen. Bei Scouts ist ein Sachgrund, der eine Befristung rechtfertigen könnte, grundsätzlich erst einmal nicht ersichtlich. Generell ist zu beobachten, dass bei den Klubs die Praxis verbreitet ist, die Arbeitsverträge mit Mitarbeitern aus dem sportlichen Bereich zu befristen, auch wenn es sich nicht um Spieler oder Trainer handelt. Für diese Arbeitnehmer gelten aber die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Zulässigkeit von Befristungen, und eine Befristung – über zwei Jahre hinaus – ist in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt.

Wir Profis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wie sehen die weiteren Verfahrens-schritte aus?
Dr. Frank Rybak: Mainz 05 hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, so dass die Sache jetzt vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz verhandelt wird. Wie den Medien zu entnehmen war, hat das LAG eine mündliche Verhandlung über die Berufung auf den 17. 02.2016 terminiert. Es bleibt abzuwarten, ob das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz bestätigen wird. Viele sehen gute Erfolgsaussichten für Mainz 05 und erwarten, dass das LAG – mit welcher Begründung auch immer – einen Sachgrund für die Befristung von Arbeitsverträgen mit Fußballspielern bejahen wird. Natürlich haben beide Parteien auch noch die Möglichkeit, sich vor oder in dem anberaumten Termin zu einigen. Die Klärung dieser Rechtsfrage durch ein Urteil wäre für den Fußball wünschenswert. In dem Fall, dass sich die Parteien nicht einigen und das LAG über die Berufung entscheidet, kommt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der An-gelegenheit auch noch eine Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Betracht. Sollte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz letztinstanzlich bestätigt werden, können wirksam befristete Verträge mit Spielern nur noch bis zur Dauer von zwei Jahren abgeschlossen werden. Bei längerer Vertragsdauer bestünde ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das der Klub nur durch eine wirksame Kündigung beenden kann. Hier greifen dann die Beschränkungen des Kündigungsschutzrechts.