Die FIFPro hat als internationaler Verband der Spielergewerkschaften eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen das FIFA-Transfersystem eingereicht. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit die FIFA-Regelungen zur Zahlung von Ausbildungsentschädigungen bei internationalen Transfers von jungen Spielern überhaupt rechtmäßig sind. „Wir Profis“ sprach darüber mit VDV-Justitiar Dr. Frank Rybak.

Artikel zum Download

Urteil birgt erhebliche Sprengkraft

Wir Profis: Im FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern ist in Art. 19 geregelt, dass Spieler grundsätzlich erst dann international transferiert werden dürfen, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind. Welche Ausnahmen gibt es von dieser Regel?
Dr. Frank Rybak: Insgesamt gibt es drei Ausnahmen. Weltweit gilt, dass auch ein minderjähriger Spieler international transferiert werden kann, wenn die Eltern aus Gründen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben, im Land des neuen Vereins ihren Wohnsitz begründen. Ebenfalls weltweit gilt eine Ausnahme für grenznahe Transfers: Wohnt ein Spieler höchstens 50 km von einer Landesgrenze entfernt und hat der Verein im Nachbarland seinen Sitz ebenfalls höchstens 50 km von der Landesgrenze entfernt, ist ein internationaler Transfer eines Minderjährigen ebenfalls möglich. In diesem Fall muss der Spieler seinen Wohnsitz behalten, und beide Verbände müssen einverstanden sein.

Wir Profis: Welche weitere Ausnahme gilt für Wechsel innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)?
Dr. Frank Rybak: Ein Wechsel zwischen Staaten den EU oder des EWR ist generell schon ab 16 Jahren möglich, wenn der neue Verein bestimmte Mindestverpflichtungen erfüllt. Der Klub muss für eine fußballerische Ausbildung auf höchstem nationalen Standard und eine schulische oder berufliche Ausbildung des Spielers sorgen, ferner muss eine bestmögliche Betreuung, insbesondere eine optimale Wohnsituation sichergestellt sein. Bei allen Ausnahmetatbeständen und Minderjährigentransfers ist erforderlich, dass ein von der Kommission für den Status von Spielern der FIFA eingesetzter Ausschuss seine Zustimmung erteilt. Der Ausschuss hat zu prüfen, ob tatsächlich ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

Wir Profis: Nach § 20 des besagten FIFA-Reglements haben im internationalen Bereich frühere Klubs grundsätzlich einen Anspruch auf eine Ausbildungsentschädigung, wenn ein Spieler seinen ersten Profivertrag unterschreibt, sowie bei jedem Transfer bis zum Ende der Spielzeit, in der der Spieler 23 Jahre alt wird. Welche Ausnahmen gibt es davon?
Dr. Frank Rybak: Eine Ausbildungsentschädigung nach dem FIFA-Reglement kann nur bei internationalen Transfers anfallen. Eine Ausbildungsentschädigung ist aber nicht geschuldet, wenn der ehemalige Verein den Vertrag ohne triftigen Grund auflöst, der Spieler nach dem Wechsel reamateurisiert wird oder er zu einem Verein der sog. Kategorie IV wechselt. Einen weiteren Ausnahmetatbestand gibt es für Wechsel innerhalb der EU oder des EWR: Hier fällt eine Ausbildungsentschädigung auch dann nicht an, wenn der bisherige Verein dem Spieler nicht bis spätestens 60 Tage vor Ablauf seines Vertrages einen neuen Vertrag anbietet, der mindestens so gut dotiert ist wie der aktuelle Vertrag. Den Anspruch der ehemaligen Vereine auf Ausbildungsentschädigung lässt das fehlende Vertragsangebot indessen nicht entfallen.

Wir Profis: Wie werden die Ausbildungsentschädigungszahlungen berechnet?
Dr. Frank Rybak: Die Ausbildungsentschädigung errechnet sich nach dem finanziellen Aufwand, den der neue Verein gehabt hätte, wenn er den Spieler selbst ausgebildet hätte. Zum Zwecke der Berechnung werden weltweit alle Klubs in Kategorien eingeteilt, und die Trainingskosten werden auf Konföderationsebene für die einzelnen Kategorien festgelegt. Ein deutscher Bundesligist beispielsweise ist in die Kategorie I der UEFA eingruppiert, für die Trainingskosten von € 90.000,00 pro Jahr angesetzt werden. Bei der erstmaligen Registrierung als Berufsspieler berechnet sich die Ausbildungsentschädigung durch die Multiplikation der Trainingskosten des neuen Vereins mit der Anzahl der Trainingsjahre im Alter von zwölf bis 21 Jahren, wobei für die ersten vier Jahre immer die Kategorie IV zugrunde zu legen ist. Bei späteren Transfers berechnet sich die Ausbildungsentschädigung durch die Multiplikation der Trainingskosten des neuen Vereins mit der Anzahl der Trainingsjahre beim ehemaligen Verein. Es gibt einige Besonderheiten.

Wir Profis: Gelten die Regelungen auch bei nationalen Transfers innerhalb Deutschlands?
Dr. Frank Rybak: Nein. Der Ligaverband hat Richtlinien zur Festsetzung der Ausbildungsentschädigung für jüngere Lizenzspieler beschlossen und einen freiwillig eingerichtete Solidaritätspool geschaffen. Wird ein Spieler bis zu seinem 23. Geburtstag erstmalig als Lizenzspieler unter Vertrag genommen und in einem Meisterschaftsspiel der Lizenzligen eingesetzt, erhalten die früheren Klubs des Spielers für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit eine Ausbildungsentschädigung aus diesem freiwillig eingerichteten Solidaritätspool. Sie beträgt für Lizenzspieler in der Bundesliga € 50.000,00, in der 2. Bundesliga € 22.500,00.

Wir Profis: Die FIFA hat zudem einen Solidaritätsmechanismus eingerichtet, wonach bei internationalen Transferzahlungen grundsätzlich alle Klubs, die zur Ausbildung des Spielers beigetragen haben, finanziell beteiligt werden. Wie werden diese Zahlungen berechnet?
Dr. Frank Rybak: Wechselt ein Berufsspieler während der Laufzeit seines Arbeitsvertrages international und zahlt der neue Klub dem ehemaligen Klub eine Entschädigung für diesen Transfer, teilt der neue Klub fünf Prozent dieser Entschädigung unter den Klubs auf, bei denen der Spieler zwischen seinem 12. und 23. Geburtstag gespielt hat. Während der ersten vier Trainingsjahre, d. h. der Spielzeiten zwischen dem 12. und 15. Geburtstag des Spielers, macht der Beitrag für jedes Trainingsjahr fünf Prozent des Solidaritätsbeitrages, d. h. 0,25 Prozent der Gesamtentschädigung, aus. Ab der Spielzeit des 16. Geburtstages erhöht sich der Anteil auf zehn Prozent für jedes Trainingsjahr, d. h. 0,5 Prozent der Gesamtentschädigung.

Wir Profis:
Das Oberlandesgericht Bremen hat Ende 2014 festgestellt, dass durch die von der FIFA festgesetzten Ausbildungsentschädigungszahlungen das Recht von Spielern auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verletzt wird (Wir Profis berichtete in Ausgabe 1/2015). Was haben die Richter dabei genau moniert?
Dr. Frank Rybak: Das OLG Bremen hat vor allem beanstandet, dass die Ausbildungsentschädigung nach dem FIFA-Reglement nach dem finanziellen Aufwand zu berechnen ist, den der neue Verein gehabt hätte, wenn er den Spieler selbst ausgebildet hätte. Dabei verwies es u. a. auf die Rechtsprechung des EuGH im Bosman-Urteil von 1995. Bereits damals wurde anerkannt, dass die Nachwuchsförderung ein Zweck sei, der ggf. auch eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit rechtfertigt. Tatsächlich eignen sich Entschädigungsregelungen aber nur dann, die Vereine zur Ausbildung von Nachwuchsspielern zu motivieren, wenn sie die Kosten berücksichtigen, die den Vereinen durch die Ausbildung sowohl der künftigen Berufsspieler als auch derjenigen, die nie Berufsspieler werden, entstehen. Entschädigungen erfüllen nach Auffassung des OLG Bremen die Funktion des Ersatzes von Ausbildungskosten nur, wenn sie sich an den tatsächlich angefallenen Ausbildungskosten orientieren und nicht am Marktwert des fertigen Spielers. Diesen Anforderungen wird das Regelwerk der FIFA nicht gerecht.

Wir Profis: Welche Auswirkungen hat dieses Urteil nun für die Praxis?
Dr. Frank Rybak: Für die Praxis birgt das Urteil natürlich erhebliche Sprengkraft. Da die Entscheidung mit EU-Recht begründet wird, können Spieler in der ganz EU auf das Urteil verweisen. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig. Der in dem Verfahren beklagte Norddeutsche Fußball-Verband NFV hat gegen das Urteil des OLG Bremen Revision zum BGH eingelegt. Der BGH hat über die Revision noch nicht entschieden.