Die DFL hat ihren Musterarbeitsvertrag für Lizenzspieler umfassend überarbeitet. „Wir Profis“ sprach darüber mit VDV-Justitiar Dr. Frank Rybak.

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Nur Tarifvertrag garantiert rechtssicheren Interessenausgleich!

Wir Profis: Im Mai 2016 hat die DFL den Clubs des Ligaverbandes einen neuen Musterarbeitsvertrag zur Verwendung ab der Transferperiode I der laufenden Saison 2016 / 17 zur Verfügung gestellt. Gibt es wesentliche Änderungen gegenüber dem bislang verwendeten Musterarbeitsvertrag?
Dr. Frank Rybak: Der bislang verwendete Musterarbeitsvertrag wurde 2005 eingeführt und zur Spielzeit 2008 / 2009 letztmalig überarbeitet. Tatsächlich gab es in dieser letzten Fassung nur vereinzelte Änderungen gegenüber Vorgängerfassungen, die seit Mitte der 1980er Jahre verwendet wurden. Der neue Musterarbeitsvertrag ist demgegenüber eine vollständige Neubearbeitung, die Neuerungen und Änderungen in nahezu allen Regelungsbereichen enthält. Dies erkennt man bereits am Umfang des Vertragswerkes: Während der bisherige Musterarbeitsvertrag mit 14 Seiten auskam, umfasst das neue Vertragswerk 30 Seiten sowie zusätzlich noch eine Anlage zu Vertragsstrafen und eine Anlage zum Datenschutz von weiteren drei Seiten.

Wir Profis: War die VDV bei der Entwicklung des neuen Musterarbeitsvertrages eingebunden?
Dr. Frank Rybak: Die Rechtsabteilung der DFL hat bereits seit 2014 an der Neufassung des Musterarbeitsvertrages gearbeitet. Die DFL hat der VDV Gelegenheit zur Stellungnahme zu einzelnen Entwürfen gegeben, und die VDV hat hiervon auch Gebrauch gemacht. Tatsächlich hätte die VDV lieber einen Tarifvertrag abgeschlossen. Nur ein im Einzelnen ausgehandelter Tarifvertrag garantiert einen fairen und rechtssicheren Interessenausgleich zwischen Spielern und Clubs. Denn rechtlich unterliegen Tarifverträge nur einer beschränkten Inhaltskontrolle, da aufgrund des Verhandlungsgleichgewichtes von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband von einer „Richtigkeitsgewähr“ des Tarifvertrages auszugehen ist. Demgegenüber muss sich bei Verwendung eines Musterarbeitsvertrages jede Vertragsklausel am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen: Eine vorformulierte Vertragsklausel, die den Spieler unangemessen benachteiligt, ist unwirksam.

Wir Profis: Auf welche Punkte ist besonders zu achten?
Dr. Frank Rybak: Hervorzuheben sind insbesondere die Regelungen zu den Bereichen Beschäftigungsanspruch, Vermarktung, Persönlichkeitsrechte, freie Arztwahl, Anzeige- und Mitwirkungspflichten des Spielers, Haftung, Ausschlussfristen und Datenschutz.

Wir Profis: Streitigkeiten um den Anspruch des Spielers auf Teilnahme am Training der Lizenzmannschaft gibt es recht häufig. Gibt es insoweit Änderungen?
Dr. Frank Rybak: Nach dem bislang verwendeten Musterarbeitsvertrag war ein Spieler auch verpflichtet, an Spielen oder am Training der zweiten Mannschaft teilzunehmen, falls diese in der Oberliga oder einer höheren Spielklasse spielt. Die VDV hat diese Klausel stets für unwirksam erachtet. Wir alle wissen, dass Bundesliga-Fußball und Oberliga-Fußball sich erheblich voneinander unterscheiden und nicht vergleichbar sind. Der neue Musterarbeitsvertrag sieht nun vor, dass ein Bundesliga-Spieler an Spielen oder am Training einer anderen Mannschaft des Clubs nur teilnehmen muss, wenn die Mannschaft mindestens in der 4. Spielklasse spielt, der Trainer Inhaber der Fußballlehrerlizenz ist und das Training in Mannschaftsstärke stattfindet; bei Zweitliga-Clubs und -Spielern soll die 5. Spielklasse und die Trainer-A-Lizenz ausreichen. Das bedeutet für den Spieler zwar eine bessere Vertragsgestaltung als bisher, ist aber immer noch fragwürdig. Ich halte auch die neue Klausel für rechtsunwirksam, da der Club immer noch die Möglichkeit hat, einen Spieler dauerhaft und ohne dass es überhaupt einen Grund dafür gibt, in die zweite Mannschaft „abzuschieben“. Selbstverständlich gibt es etliche Fälle, in denen die Spieler gern und freiwillig in der zweiten Mannschaft spielen, darüber müssen wir nicht reden. Es geht darum, wie man das „Abschieben“ eines Spielers in die zweite Mannschaft mit dem Ziel der Vertragsauflösung verhindern kann. Ich denke, es sollte selbstverständlich sein, dass ein Spieler, der mit einem Lizenzclub einen Vertrag als Lizenzspieler unterschreibt, auch mit der Lizenzmannschaft trainieren darf. Auch international ist das so üblich.

Wir Profis: Welche Änderungen gibt es im Bereich Vermarktung und Persönlichkeitsrechte?
Dr. Frank Rybak: Vermarktung und Persönlichkeitsrechte des Spielers sind im neuen Musterarbeitsvertrag sehr viel umfangreicher und detaillierter geregelt, als bisher. Die entsprechenden Bestimmungen nehmen mehr als fünf Seiten ein. Die Verpflichtung des Spielers, dem Club zu ermöglichen, seine sportlichen Leistungen und seine Persönlichkeit umfassend zu vermarkten, wird – neben der Verpflichtung zum Fußballspielen – zur vertraglichen Hauptpflicht erhoben. Dabei sollen durch die Klauseln die Bereiche, die Gegenstand der Vermarktung durch den Club bzw. die DFL sind, klarer von den Bereichen abgegrenzt werden, in denen eine Eigenvermarktung des Spielers möglich bleibt. Im Grundsatz wird anerkannt, dass der Spieler berechtigt bleibt, seine Leistungen und seine Sportlerpersönlichkeit selbst zu vermarkten, wenn diese Vermarktung ohne erkennbaren Bezug zu dem Club erfolgt und keine berechtigten Interessen des Clubs betroffen sind. Die Regelungen hierzu im bisherigen Musterarbeitsvertrag waren weit weniger präzise. Die Abgrenzung im Einzelfall kann selbstverständlich sehr problematisch sein.

Wir Profis: Dürfen die Spieler nach den Bestimmungen des neuen Musterarbeitsvertrages individuelle Ausrüsterverträge abschließen?
Dr. Frank Rybak: Nein. Die VDV hatte sich dafür ausgesprochen, festzuschreiben, dass die Spieler jedenfalls das Recht haben, Schuhe und Torwarthandschuhe frei zu wählen, und insoweit eigene Ausrüsterverträge abzuschließen. Dies ist leider auch im neuen Musterarbeitsvertrag nach wie vor nicht vorgesehen. Spieler, die eigene Ausrüsterverträge oder sonstige Sponsoren- oder Werbeverträge haben oder abschließen möchten, müssen insoweit individuelle Vereinbarungen mit ihren Clubs abschließen, die ihnen das gestatten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der neue Musterarbeitsvertrag eine Klausel enthält, wonach der Spieler garantiert, dass er die Vermarktungsrechte, die Gegenstand der Vermarktung durch den Club oder der DFL sind, weder einem Dritten eingeräumt hat, noch einräumen wird; für den Fall einer Verletzung dieser Garantie ist ein Freistellungsanspruch des Clubs gegen den Spieler vorgesehen, der bis zu einem Netto-Jahresgehalt betragen kann.

Wir Profis: Im Zusammenhang mit Sportwetten und Spielmanipulation ist jetzt vorgesehen, dass der Spieler den Club benachrichtigen muss, wenn er Anzeichen für eine Spielsucht bei sich erkennt. Wie ist eine solche Klausel rechtlich zu bewerten?
Dr. Frank Rybak: Es ist selbstverständlich, dass die Integrität des sportlichen Wettbewerbs von herausragender Bedeutung ist. Nichtsdestotrotz erachte ich diese Klausel aus rechtlichen Gründen als sehr problematisch. Spielsucht ist eine Krankheit. Krankheiten gehören zunächst zur Privatsphäre. Krankheiten werden durch Ärzte diagnostiziert und behandelt, die einer Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegen, deren Verletzung strafbar ist. Aus medizinischer Sicht dürfte problematisch sein, ob jemand, der unter einer Suchterkrankung leidet, zunächst überhaupt in der Lage ist, diese oder Anzeichen hierfür selbst zu erkennen. Wir müssen alles tun, um Betroffenen zu helfen, aber ich habe meine Zweifel, ob eine Anzeigepflicht beim Arbeitgeber – deren Verletzung ja auch wieder arbeitsrechtlich sanktioniert werden könnte – hier der richtige Weg ist.

Wir Profis: Auch nach dem neuen DFL-Musterarbeitsvertrag sind die Spieler verpflichtet, sich bei Verletzung oder Krankheit unverzüglich beim Club-Arzt oder einem vom Club beauftragten Arzt vorzustellen und sich den von diesen angeordneten Maßnahmen umfassend zu unterziehen. Wie ist dieser Passus mit dem Prinzip der freien Arztwahl vereinbar?
Dr. Frank Rybak: Die VDV weist seit jeher darauf hin, dass die freie Arztwahl verfassungsrechtlich garantiert ist und jedenfalls was Behandlungen angeht durch arbeitsvertragliche Klauseln nicht beschränkt werden kann. Dennoch enthält auch der neue Musterarbeitsvertrag Klauseln, die die freie Arztwahl tangieren. Natürlich kann nicht jeder der 36 Lizenzvereine für sich in Anspruch nehmen, über den besten Arzt zu verfügen. Die Praxis zeigt aber, dass es in diesem Zusammenhang selten zu Streitigkeiten kommt.

Wir Profis: Neu sind auch die Regelungen zum Datenschutz.
Dr. Frank Rybak: Der bisherige Musterarbeitsvertrag erhielt nur eine rudimentäre Regelung zum Thema Datenschutz. Demgegenüber ist jetzt vorgesehen, dass der Spieler eine umfassende datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung abgibt, die neben der Verarbeitung der Vertragsdaten auch die Verarbeitung von Daten über seine körperliche Leistungsfähigkeit, Krankheiten und Verletzungen und auch die Verarbeitung spiel- und leistungsbezogener Informationen gestattet, wie z. B. Laufwege, Passverhalten und Laufgeschwindigkeit des Spielers. Die VDV setzt sich für einen restriktiven Umgang mit Spielerdaten ein.

Wir Profis: Eine Überarbeitung hat auch die Vertragsstrafenregelung erfahren. Welche Änderungen gibt es hier?
Dr. Frank Rybak: Mit der neuen Regelung wird versucht, die Vertragsstrafenklausel konkreter zu fassen, weil die mangelnde inhaltliche Bestimmtheit ein rechtliches Problem darstellt. Vorgesehen ist jetzt, dass jeder Club für sich individuell eine Anlage zu dem Arbeitsvertrag erstellt, die konkrete Verstöße gegen Vertragspflichten enthält, bei denen der Club zur Festsetzung einer Vertragsstrafe berechtigt sein soll. Die Geldstrafe bemisst sich nach Tageseinheiten, wobei eine Tageseinheit der Betrag ist, der dem Spieler als Wert der finanziellen Leistungen des Clubs auf Tagesbasis zusteht. Dem Musterarbeitsvertrag selbst ist eine Anlage, aus der sich Verstöße ergeben, nicht beigefügt. Für die Beurteilung, ob eine festgesetzte Vertragsstrafe dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt ist, bedarf es zukünftig auch eines Blickes auf die jeweils vom Club zu erstellende Anlage.

Wir Profis: Auf welche Punkte sollten die Spieler sonst noch achten?
Dr. Frank Rybak: Der neue Musterarbeitsvertrag enthält eine Fülle beachtenswerter Klauseln, die ich an dieser Stelle leider gar nicht alle erwähnen kann. Für die Praxis sicherlich wichtig ist die jetzt neu vorgesehene Wohnsitzklausel, wonach der Spieler für die Dauer des Vertrages seinen Lebensmittelpunkt in einem im Einzelfall zu vereinbarenden Umkreis zu den Trainingseinrichtungen des Clubs einzurichten hat. Problematisch sind nach wie vor die umfangreichen dynamischen Verweisungen auf die umfassenden Regelwerke der Verbände wie der Liga, des DFB, der FIFA und der UEFA, die für den Spieler unüberschaubar sind.

Wir Profis: Sie sprachen Änderungen bei den Ausschlussfristen an. Was ist hier zu beachten?
Dr. Frank Rybak: Die Änderungen zu den Ausschlussfristen sind von erheblicher praktischer Bedeutung. Der bisherige Musterarbeitsvertrag enthielt lediglich eine sog. einstufige Ausschlussfrist, wonach die Parteien Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung schriftlich geltend machen müssen, andernfalls die Ansprüche erlöschen. Der neue Musterarbeitsvertrag enthält nunmehr eine sog. zweistufige Ausschlussfrist, wonach die Ansprüche in einer zweiten Stufe gerichtlich geltend zu machen sind, wenn die Gegenseite den fristgerecht schriftlich geltend gemachten Anspruch ablehnt oder sie sich innerhalb eines Monats nach fristgerechter Geltendmachung nicht erklärt; diese Klage ist innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem einmonatigen Fristablauf zu erheben, frühestens jedoch neun Monate nach Fälligkeit. Die VDV hatte sich dafür ausgesprochen, es wie bisher bei einer einstufigen Ausschlussfrist zu belassen, damit der Spieler – denn meistens sind die Spieler die Anspruchsteller – nicht in die Situation kommt, seinen Club während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses verklagen zu müssen. Die DFL hielt aber an der neuen Regelung fest.

Wir Profis: Wie sollten sich Spieler nun verhalten, die ein Angebot auf der Grundlage des neuen DFL-Musterarbeitsvertrages erhalten?
Dr. Frank Rybak: Jeder Spieler sollte den Inhalt seines Arbeitsvertrages kennen. Wichtig zu wissen ist, dass die Verwendung des Musterarbeitsvertrages nicht vorgeschrieben ist und kein Spieler verpflichtet ist, einen Arbeitsvertrag nach Maßgabe des Musterarbeitsvertrages zu unterzeichnen. Natürlich wissen wir aus der Praxis, dass der Musterarbeitsvertrag in praktisch allen Fällen zur Grundlage des Vertragsschlusses gemacht wird. Die Klauseln werden in der Praxis typischerweise auch nicht zur Disposition gestellt. Vor Abschluss eines Arbeitsvertrages sollte sich jeder Spieler von einem spezialisierten Rechtsanwalt oder der VDV beraten lassen, und anschließend über kritische Punkte mit dem Club verhandeln.