Im Profifußball kommt es gelegentlich vor, dass Spieler trotz eines laufenden Vertrags einen Transfer erzwingen möchten. "Wir Profis" bat vor diesem Hintergrund VDV-Justiziar Dr. Frank Rybak um rechtliche Einschätzungen.

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Spieler haben nicht zu viel Macht

Wir Profis: Unter welchen Voraussetzungen kann ein Profi in Deutschland einen laufenden Arbeitsvertrag einseitig kündigen, um innerhalb Deutschlands zu einem anderen Klub zu wechseln?

Dr. Frank Rybak: Nach deutschem Arbeitsrecht kann ein befristeter Arbeitsvertrag vor Ablauf der Vertragslaufzeit grundsätzlich nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Umstände vorliegen, die dem Spieler die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende unzumutbar machen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Klub mit der Zahlung des Gehaltes trotz Abmahnung erheblich in Verzug gerät. Ein beabsichtigter Vereinswechsel allein rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung. Auch ist der Klub nicht verpflichtet, in eine vorzeitige Vertragsauflösung einzuwilligen, wenn der Spieler die Chance hat, sich bei einem anderen Klub sportlich zu verbessern oder dort ein höheres Einkommen zu erzielen.
Kann ein Spieler seinen Wechsel zu einem anderen Klub in Deutschland erzwingen, wenn kein Kündigungsgrund vorliegt?
Kündigt ein Spieler seinen Arbeitsvertrag fristlos, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, so ist die Kündigung nach deutschem Arbeitsrecht unwirksam und führt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei einem Wechsel innerhalb Deutschlands würde der Spieler in dieser Situation keine Spielerlaubnis für einen anderen Klub erhalten. Denn nach der Lizenzordnung Spieler der DFL ist einem Antrag auf Erteilung der Spielerlaubnis nur dann stattzugeben, wenn keine rechtlichen Bindungen des Spielers an einen anderen Klub mehr bestehen.

Wir Profis: Wie ist es, wenn der Spieler ins Ausland wechseln möchte?
Dr. Frank Rybak: Auch in diesem Fall findet grundsätzlich deutsches Arbeitsrecht Anwendung, jedenfalls dann, wenn ein deutsches Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden hat. Der Klub könnte vor dem zuständigen Arbeitsgericht auch in diesem Fall Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die unwirksame außerordentliche Kündigung des Spielers nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Bei einem Wechsel ins Ausland ist es aber möglich, dass ein Spieler trotz Vertragsstreitigkeit eine Spielerlaubnis für den neuen Klub erhält. Zwar darf der Verband des bisherigen Vereins – in unserem Fall der DFB – keinen internationalen Freigabeschein zustellen, falls zwischen dem bisherigen Klub und dem Spieler eine Vertragsstreitigkeit besteht. In diesem Fall kann die FIFA aber bei außerordentlichen Umständen und auf Antrag des neuen Verbands eine provisorische Registrierung des Spielers bewilligen. Sowohl der Spieler als auch die beiden beteiligten Klubs können dann Klage bei der FIFA einreichen, um die Fragen der Vertragsbeendigung, der Ausstellung eines internationalen Freigabescheins und etwaiger Sanktionen klären zu lassen.

Wir Profis: Welche Sanktionen durch die FIFA drohen einem Spieler und dem aufnehmenden Klub in diesem Fall?

Dr. Frank Rybak: Auch das FIFA-Transferreglement bekennt sich zum Grundsatz der Vertragsstabilität und geht davon aus, dass eine Vertragsauflösung ohne irgendwelche Folgen nur dann möglich ist, wenn ein gewichtiger Grund vorliegt. Das Reglement spricht von „triftigem Grund“. Löst ein Spieler einen Vertrag ohne triftigen Grund auf, drohen ihm finanzielle und sportliche Sanktionen.

Wir Profis: Welche finanziellen Folgen kommen auf den Spieler und den aufnehmenden Klub zu?

Dr. Frank Rybak: Nach dem FIFA-Transferreglement ist ein vertragsbrüchiger Spieler in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung an seinen bisherigen Klub verpflichtet. Die Höhe der Entschädigung, die ein Spieler im Falle einer Vertragsauflösung ohne triftigen Grund zu zahlen hat, kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Enthält der Arbeitsvertrag eine entsprechende Bestimmung, so hat der Spieler die vereinbarte Entschädigung zu zahlen. Viele Arbeitsverträge enthalten eine derartige Klausel allerdings nicht. In diesem Fall legt die FIFA die Höhe der Entschädigung fest. Eine exakte Berechnungsmethode ist nicht vorgegeben. Das FIFA-Transferreglement listet eine Reihe von Umständen auf, die berücksichtigt werden können. Maßgeblich ist vor allem, ob sich der Vertragsbruch während der Schutzzeit (zwei Jahre, wenn der Spieler bei Vertragsbeginn mindestens 28 Jahre alt war, drei Jahre, wenn er jünger war) ereignet hat, ferner die Höhe der Bezüge aus dem bisherigen und dem neuen Vertrag, die verbleibende Vertragslaufzeit und nicht amortisierte Ablösezahlungen an einen früheren Klub. Auch nationales Recht kann berücksichtigt werden.

Die Rechtsprechung des CAS zur Berechnung der Entschädigung ist nicht einheitlich. In der ersten Entscheidung des CAS zu dieser Konstellation aus dem Jahr 2008 wurde der Spieler Andy Webster bei einem Vertragsbruch außerhalb der Schutzzeit zu einer Entschädigung in Höhe von £ 150.000,00 verurteilt, einem Betrag, der etwa dem Verdienst des Spielers für die verbleibende Vertragslaufzeit entsprach. Im Jahre 2009 verurteilte der CAS den brasilianischen Spieler Matuzalem demgegenüber zu einer Entschädigung in Höhe von ca. € 11.86 Mio. und stellte dabei wesentlich darauf ab, es sei der Wert der Dienste des Spielers für seinen bisherigen Klub zu ermitteln, die der Klub bei einer grundlosen Vertragsbeendigung durch den Spieler verliere. Es gibt einige weitere Entscheidungen des CAS. De facto besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit. Festzuhalten bleibt, dass, abhängig vom Einzelfall, Entschädigungen in Millionenhöhe drohen. Der neue Klub haftet dem alten Klub als Gesamtschuldner für die Entschädigung.

Wir Profis: Welche sportlichen Sanktionen durch die FIFA drohen einem Spieler in diesem Fall?

Dr. Frank Rybak: Eine sportliche Sanktion in Form einer Sperre kann einem Spieler nur im Falle eines Vertragsbruchs während der Schutzzeit auferlegt werden. Die Sperre beträgt vier Monate, in besonders schweren Fällen sechs Monate. Je nachdem, wie lange es bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der FIFA bzw. des CAS dauert, kann die Sperre auch einen anderen Klub als denjenigen treffen, zu dem der Spieler nach dem Vertragsbruch unmittelbar gewechselt ist. Dies hat jüngst der Fall von Hakan Calhanoglu gezeigt, der seine Sperre während der Vertragslaufzeit bei Bayer Leverkusen verbüßen musste.

Wir Profis: Welche rechtlichen Konsequenzen drohen einem Spieler in Deutschland, wenn er unentschuldigt dem Training oder Wettkampf fernbleibt, um Druck auf den Klub auszuüben?

Dr. Frank Rybak: Ein unentschuldigtes Fehlen beim Training oder bei einem Spiel ist eine rechtswidrige Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und kann zunächst mit einer Abmahnung geahndet werden. Im Wiederholungsfall kann auch eine außerordentliche Kündigung durch den Klub gerechtfertigt sein. In dem Fall, dass der Arbeitsvertrag eine wirksame Vertragsstrafenklausel enthält, kommt auch eine Vertragsstrafe in Betracht, wobei eine Geldstrafe der Dauer des Fehlens angemessen sein muss.

Wir Profis: Kann in einem solchen Fall auch Schadensersatz fällig werden?

Dr. Frank Rybak: Ein Anspruch des Klubs auf Schadensersatz setzt voraus, dass durch das unentschuldigte Fernbleiben beim Klub ein konkreter wirtschaftlicher, in Geld bezifferbarer Schaden eingetreten ist. Das Entstehen eines derartigen Schadens lässt sich in der Praxis kaum begründen.

Wir Profis: Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten eines Spielers, einen Transfer zu erzwingen?

Dr. Frank Rybak: In Anbetracht der dargestellten Rechtslage ist für mich die Einschätzung, die Spieler hätten zu viel Macht und die Klubs hätten trotz bestehender Verträge keine Planungssicherheit, nicht nachvollziehbar.